Zeitgenössische koreanische Semiotik
Herausgegeben von Yo-song Park
ZfS, Band 29, Heft 1/2007

ZfS, Band 29, Heft 1/2007
EUR 17,50
ISBN 978-3-86057-885-8


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Neue Seite 2

Aus dem Inhalt:

Editorial

  • Martin Krampen: 28 Jahre mit der Zeitschrift für Semiotik

Einleitung

Literaturhinweis

  • Walter Sendlmeier: Frederik Van Eeden: Logische Grundlage der Verständigung





Semiotik in Korea: Ein Forschungsüberblick.
Chie-sou Kim
Summary.
At first glance, giving a report on the history of semiotic studies in Korea may not seem very challenging because modern Korean semiotics does not have a long history. Nevertheless, in trying to summarize the present state of semiotic re-search in Korea, one runs a certain risk: Since semiotics is an interdisciplinary approach to the study of culture, it is difficult to distinguish its subject matter from that of other cultural sciences. The boundaries of semiotics appear fluent and whoever wants to specify them in a concept-based way must avoid the danger of imposing in-adequate restrictions on the practice of semiotic research. It is certain, however, that semiotics is the science of signs and sign processes and should study all areas of cultural life from this perspective. This is shown by means of central examples from actual semiotic research in Korea.
Zusammenfassung.
Es scheint auf den ersten Blick wenig herausfordernd zu sein, einen Forschungsbericht über die Geschichte der Semiotik in Korea zu schreiben, denn die Semiotik hat im modernen Korea keine lange Geschichte. Und doch geht man bei dem Versuch, den gegenwärtigen Stand der semiotischen Forschung in Korea zu umreißen, ein gewisses Risiko ein: Da die Semiotik ein interdisziplinärer Ansatz zur Erforschung der Kultur ist, fällt es schwer, ihren Gegenstandsbereich von dem anderer Kulturwissenschaften abzugrenzen. Die Grenzen der Semiotik erscheinen fließend, und wer versucht, sie begriffsbasiert zu ziehen, läuft Gefahr, der Semiotik unangemessene Beschränkungen aufzuerlegen. Sicher ist jedoch, dass die Semiotik die Wissenschaft von den Zeichen und den Zeichenprozessen ist und alle Bereiche des kulturellen Lebens aus dieser Perspektive untersuchen sollte. Dies wird an Hand von zentralen Beispielen aus der bestehenden semiotischen Forschungspraxis in Korea gezeigt.


Die Dosan-Akademie: Ein Raum für Semiosen. O-young Lee
Summary.
Multiple codes of living space appear in the Dosan-Seowon (‘Dosan academy’) which served as Confucian academy and shrine in the Joseon-Dynasty (1392–1910). Baesanimsu (‘Mountain behind you, river in front of you’) is the key concept for the architecture of traditional Korean houses. According to this concept, if there is a mountain in the back and water in front, the site is an ideal place to build a house. As the concept shows, the surrounding space is more important than the house itself in traditional Korean housing. But the space code of baesanimsu is not limited to the orientation between water and mountain, it encompasses the complex binary code of front/back, verticality/horizontality, and mobility/immobility. The houses themselves, both for the living and the dead, had to be built after the Chinese topologic concept pungsu (chin. peng-xu: ‘wind and water’). It transpires that understanding traditional Korean architecture requires a semiotic approach that emphasizes relationalism rather than substantialism.
Zusammenfassung.
Verschiedene architektonische Kodes haben den Bau der Dosan- Seowon (‚Dosan-Akademie‘) bestimmt. So ist Baesanimsu (‚Berg hinter sich, Fluss vor sich‘, kurz: HBVF) ein traditionelles Konzept für die Gestaltung von Wohnraum in Korea. Es bestimmt einen Ort, der sich vor einem Berg und an einem Bächlein befindet, als idealen Bauplatz für ein Wohngebäude. Es kommt also eher auf die Lage und Umgebung der Bauten als auf die Struktur oder Gestalt des Hauses an. Der Raumkode des Baesanimsu beschränkt sich jedoch nicht auf die Ausrichtung der Gebäude zu Berg und Wasser, er beinhaltet zudem eine komplexe Struktur binärer Gegensätze wie vorne/hinten, vertikal/horizontal und beweglich/unbeweglich. Die Häuser selbst – ob für die Lebenden oder für die Toten – müssen nach der Peng-xu( )-Topologie gebaut werden. Das Verständnis der traditionellen koreanischen Architektur erfordert somit einen semiotischen Ansatz, der ihrem stärker relationalen als substantiellen Denken gerecht wird.


Metapher und Metonymie in den Gedichten von Jeong-ju Seo. Hyun-ja Kim
Summary.
The lyrical work of the famous poet Jeong-ju Seo makes use of traditional Korean imagery, enlarging its possibilities of expression. Subject matter is often taken from old myths and well-known folk tales, for example the famous love-story of Chunhyang. These themes are expressed in a lyrical language which combines metaphor and metonymy in complex structures. The present paper analyzes the metaphorical structure of two poems, making use of Benjamin Hrushovski’s reference frame theory.
Zusammenfassung.
Das lyrische Werk des berühmten koreanischen Dichters Jeong-ju Seo greift die vielfältige Bildsprache traditioneller koreanischer Lyrik auf und erweitert sie um neue Möglichkeiten. Die Stoffe stammen oft aus den überlieferten Erzählungen und Mythen, beispielsweise der berühmten Liebesgeschichte von Chun-hyang. Sie werden in einer lyrischen Sprache ausgedrückt, die metaphorische und metonymische Mittel auf komplexe Art kombiniert. Mit Hilfe der Bezugsrahmen-Theorie von Benjamin Hrushovski wird hier die Metaphernstruktur zweier Gedichte untersucht.


Ogu – das Totenritual von Yun-taek Lee und der Bühnenraum im modernen koreanischen Theater. Hyun-sook Shin
Summary.
In modern Korean theater, the stage space is used to combine traditional elements with the innovations of modern times, and the present contribution shows the way this is done, by analyzing the stagings of the play Ogu – the Burial Rite by Yun-taek Lee. The traditional Korean ritual Gut (a shaman ritual) contains four steps: Cheongsin (‘invitation of the gods’), Osin (‘festival’), Sinui-Cheongchui (‘hearing the message of the gods’), and Songsin (‘farewell to the gods’). Osin can be considered the origin of Korean theater. In the Gut ritual, the invited Gods are gratified through singing and dancing and then asked to fulfill the wishes of man. There are several variations of Gut. One of them is the Ogu-Gut – originally a ritual in which the living call the Ogu-King from the other world and ask him to guide the souls of the dead to the world of Nirvana.
Zusammenfassung.
Im modernen koreanischen Theater wird der Bühnenraum dazu benutzt, traditionelle Elemente mit den Neuerungen der Moderne zu verbinden, und wie dies geschieht, zeigt der vorliegende Beitrag durch die Analyse von Aufführungen des Theaterstücks Ogu – das Totenritual von Yun-taek Lee. – Das traditionelle koreanische Ritual Gut (ein Schamanenritual) besteht aus vier Teilen, und zwar Cheongsin (‚Empfang der Götter‘), Osin (‚Feier‘), Sinuicheongchui (‚Hören der Götter-Botschaft‘) und schließlich Songsin ( : ‚Abschied‘). Der zweite dieser Teile, Osin, gilt als Ursprung des traditionellen koreanischen Theaters. Im Gut-Ritual werden die eingeladenen Götter durch Gesang und Tanz günstig gestimmt und dann aufgefordert, die Wünsche der Menschen zu erfüllen. Es gibt verschiedene Variationen des Gut: Eine von ihnen ist das Ogu-Gut – ursprünglich ein Ritual, bei dem die Lebenden den Ogu-König aus dem Jenseits rufen und darum bitten, die toten Seelen in die Welt des Nirwana zu geleiten.


Wie Kobolde entstehen: Zur Semiotik des Dokkaebi.
Hyo-sub Song
Summary.
The Korean pixie Dokkaebi occurs in various forms in Korean cultural artifacts. It appears as a protagonist in stories and is shown as a figure in talismans or on tiles. Its representations can be linked to a prototype; but they are not perfectly uniform or stereotypical. Rather, they differ from context to context. The term “Dokkaebi” is a generic name, but appears as a proper name in stories, where individual Dokkaebis never have individual names: This points to the ambivalence of the Dokkaebi figure which combines generality with individuality. Dokkaebis in talismans or tiles manifest ambivalence in appearing dreadful and ridiculous at the same time. Dokkaebis occurring in stories personify their own genesis: Dokkaebi semiosis. The question of how the Dokkaebi is generated is here treated from a semiotic position opposed to historical or psychological determinism.
Zusammenfassung.
Der Dokkaebi als typisch koreanischer Kobold kommt in der koreanischen Kultur in verschiedenen Gestalten vor. Man findet ihn gleichermaßen als Protagonist in Erzählungen wie als Figur auf Wandfliesen oder als Talisman. Seine verschiedenen Ausprägungen lassen sich auf einen Prototyp zurückführen, sind jedoch keinesfalls völlig gleich oder stereotyp. Sie zeigen je nach Kontext verschiedene Erscheinungsformen. Das Wort „Dokkaebi“ ist ein Gattungsname, dient in Erzählungen aber als Eigenname, weil die Dokkaebis in Erzählungen keinen besonderen Namen tragen. Dadurch ist bereits auf die Zwiespältigkeit der Dokkaebi-Figur verwiesen, die Allgemeinheit und Besonderheit in sich vereint. Die als Talisman oder auf Wandfliesen vorfindbaren Dokkaebis zeigen insofern ambivalente Merkmale, als sie zugleich bedrohlich und lächerlich aussehen. Dokkaebis in Erzählungen sind Personifizierungen ihrer eigenen Entstehung: der Dokkaebi-Semiose. In diesem Artikel wird die Herstellung des Dokkaebi unter semiotischem Gesichtspunkt untersucht, wobei historischer oder psychologischer Determinismus vermieden werden soll.


Synkretismen in der Küche: Ein Beitrag zur kulinarischen Semiotik. Yo-song Park
Summary.
This paper outlines an interdisciplinary approach to the semiotic study of the culinary cultures in all societies, based on structuralist analysis and text theory. It deals with the sign character of food, its modes of preparation, dining programs, the body behavior of eaters, culinary discourse and the narratives involved in it as well as the ethics of eating. The descriptive apparatus includes the feature hierarchy of gustemes, the morphology of meals, the reality model applied to the ingredients, their recipe-dependent collocations, the kinemics of food preparation and consumption, the proxemics of the table companions, the semiotic square of eater types, and the food-related figuration of culturemes. The syncretisms in the kitchen of all societies, which are becoming increasingly obvious in the age of globalization, are to be systematically described and explained by the equally syncretistic discipline of culinary studies (culinaristics) which reformulates the relevant contributions of all sciences and connects them into a unified approach.
Zusammenfassung.
Diese Arbeit entwirft einen interdisziplinären Ansatz für die semiotische Untersuchung der Esskulturen aller Gesellschaften und stützt sich dabei auf Strukturanalyse und Texttheorie. Berücksichtigt werden der Zeichencharakter des Essens, die Zubereitungsarten, die Speiseprogramme, das Körperverhalten der Esser, die Essensdiskurse, die zugehörigen Erzählungen und die Ethik des Essens. Zum Beschreibungsapparat gehören die Merkmalshierarchie der Gusteme, die Morphologie der Gerichte, das Wirklichkeitsmodell für die Ingredienzien, ihre rezeptbezogenen Kollokationen, die Kinemik der Essenszubereitung und des Essens, die Proxemik der Tischgenossen, das semiotische Quadrat der Essertypen und die essensbezogene Figuration der Kultureme. Ziel ist es, den im Zeitalter der Globalisierung immer sichtbarer werdenden Synkretismen in der Küche aller Gesellschaften eine theoretisch fundierte synkretistische Kulinaristik (Wissenschaft vom Essen) gegenüberzustellen, die alle Facetten des Essens beschreibt und erklärt, indem sie die einschlägigen Beiträge aller wissenschaftlichen Disziplinen semiotisch reformuliert und zu einem einheitlichen Ansatz verknüpft.


Intermedialität. Ein Beitrag zur synkretistischen Semiotik. Sung-do Kim
Summary.
In terms of text science and semiotics, the phenomenon of intermediality needs careful investigation, since it has led to a fundamental transformation of traditional notions concerning text and sign. Intermediality has a long history in Eastern and Western civilizations; the introduction of electronic and digital media which integrate text, image, video, and sound have enormously expanded the possibilities and made intermediality a ubiquitous phenomenon. At the same time, there is no systematic definition of this notion which integrates the diverse disciplines in which it occurs. In this paper, a syncretistic semiotic perspective is adopted following Émile Benveniste to explore the aspects of interaction, juxtaposition, and fusion of image and text in relation to intermediality. For this purpose, two media-theories are used which propose to be relevant to the perspective of syncretistic semiotics: teletheory (Gregory Ulmer) and the theory of remediation (Jay D. Bolter).
Zusammenfassung.
Aus texttheoretischer und semiotischer Sicht sollte das Phänomen der Intermedialität zum Gegenstand gründlicher Untersuchungen gemacht werden, insofern es zu einer tiefgreifenden Veränderung der traditionellen Text- und Zeichenbegriffe geführt hat. Intermedialität ist zwar eine uralte Erscheinung in der menschlichen Geschichte; jedoch hat durch die Entwicklung der neuen elektronischen und digitalen Medien, die Schrift, Bilder, Videos und Klänge miteinander verbinden, eine starke Erweiterung der Möglichkeiten und der Verbreitung von Intermedialität stattgefunden. In der wissenschaftlichen Behandlung der Intermedialität aber gibt es noch keine systematische Definition, die allen relevanten Disziplinen gemeinsam ist. Im vorliegenden Beitrag wird eine synkretistische semiotische Perspektive im Anschluss an Émile Benveniste eingenommen, um Intermedialität im Hinblick auf die Interaktion, Nebeneinanderstellung und Verschmelzung von Bild und Text zu untersuchen. Zwei Medientheorien, die für die synkretistische Semiotik relevant erscheinen, werden herangezogen: die Teletheorie (Gregory Ulmer) und die Theorie der Remedialisierung (Jay D. Bolter).


Das koreanische Hangul und das lateinische Alphabet: Eine semiotische Untersuchung des Ursprungs zweier Buchstabenschriften. Yong-ho Choi
Summary.
The Korean script Hangul was introduced in the middle of the 15th century by order of King Sejong. Instead of letting pictograms stand for parts of words, it uses phonograms to stand for phonemes. A similar transition took place in the emergence of the Greco-Roman alphabet script, even if that was the result of an evolutionary process lasting many centuries. The present contribution utilizes the fact that the functioning of Hangul was explicitly explained by its inventors in the book “Hun-minjeongeu” to answer the more general question of why the history of scripts in the six thousand years shows a clear tendency towards replacing pictogram scripts by phonogram scripts, as is also manifested in the evolution of alphabetic scripts.
Zusammenfassung. Das koreanische Schriftsystem Hangul wurde Mitte des 15. Jahrhunderts per Erlass des Königs Sejong eingeführt. Es setzt an die Stelle der vorher benutzten chinesischen Schrift, die mit Piktogrammen arbeitet und Wortteile verschriftet, ein System von Phonogrammen, die Phoneme verschriften. Ein ähnlicher Übergang hat bei der Entstehung der griechisch-römischen Alphabetschrift stattgefunden, auch wenn diese dazu einen Jahrhunderte langen Evolutionsprozess benötigte. Der vorliegende Beitrag nutzt die Tatsache, dass die Funktionsweise der koreanischen Schrift von ihren Erfindern selbst in dem (1940 wieder aufgefundenen) Buch „Hunminjeongeum“ explizit erläutert wird, um zu erklären, wieso in der sechstausend-jährigen Geschichte der Schriften der Welt eine klare Tendenz zur Ersetzung von Piktogrammschriften durch Phonogrammschriften besteht, die sich auch in der Evolution der Alphabetschriften zeigt.


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Letzte Änderung: 26.11.2016 10:12:00

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