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Aus dem Inhalt:
Editorial
Einleitung
Literaturhinweis
Semiotik
in Korea: Ein Forschungsüberblick.
Chie-sou
Kim
Summary.
At
first glance, giving a report on the history of semiotic studies in Korea may
not seem very challenging because modern Korean semiotics does not have a long
history. Nevertheless, in trying to summarize the present state of semiotic
re-search in Korea, one runs a certain risk: Since semiotics is an
interdisciplinary approach to the study of culture, it is difficult to
distinguish its subject matter from that of other cultural sciences. The
boundaries of semiotics appear fluent and whoever wants to specify them in a
concept-based way must avoid the danger of imposing in-adequate restrictions on
the practice of semiotic research. It is certain, however, that semiotics is the
science of signs and sign processes and should study all areas of cultural life
from this perspective. This is shown by means of central examples from actual
semiotic research in Korea.
Zusammenfassung.
Es scheint auf den ersten
Blick wenig herausfordernd zu sein, einen Forschungsbericht über die Geschichte
der Semiotik in Korea zu schreiben, denn die Semiotik hat im modernen Korea
keine lange Geschichte. Und doch geht man bei dem Versuch, den gegenwärtigen
Stand der semiotischen Forschung in Korea zu umreißen, ein gewisses Risiko ein:
Da die Semiotik ein interdisziplinärer Ansatz zur Erforschung der Kultur ist, fällt
es schwer, ihren Gegenstandsbereich von dem anderer Kulturwissenschaften
abzugrenzen. Die Grenzen der Semiotik erscheinen fließend, und wer versucht,
sie begriffsbasiert zu ziehen, läuft Gefahr, der Semiotik unangemessene Beschränkungen
aufzuerlegen. Sicher ist jedoch, dass die Semiotik die Wissenschaft von den
Zeichen und den Zeichenprozessen ist und alle Bereiche des kulturellen Lebens
aus dieser Perspektive untersuchen sollte. Dies wird an Hand von zentralen
Beispielen aus der bestehenden semiotischen Forschungspraxis in Korea gezeigt.
Die
Dosan-Akademie: Ein Raum für Semiosen.
O-young
Lee
Summary.
Multiple
codes of living space appear in the Dosan-Seowon (‘Dosan academy’) which
served as Confucian academy and shrine in the Joseon-Dynasty (1392–1910). Baesanimsu
(‘Mountain behind you, river in front of you’) is the key concept for
the architecture of traditional Korean houses. According to this concept, if
there is a mountain in the back and water in front, the site is an ideal place
to build a house. As the concept shows, the surrounding space is more important
than the house itself in traditional Korean housing. But the space code of baesanimsu
is not limited to the orientation between water and mountain, it encompasses
the complex binary code of front/back, verticality/horizontality,
and mobility/immobility. The houses themselves, both for the living and
the dead, had to be built after the Chinese topologic concept pungsu (chin. peng-xu:
‘wind and water’). It transpires that understanding traditional Korean
architecture requires a semiotic approach that emphasizes
relationalism rather than substantialism.
Zusammenfassung.
Verschiedene architektonische
Kodes haben den Bau der Dosan- Seowon (‚Dosan-Akademie‘) bestimmt. So ist Baesanimsu
(‚Berg hinter sich, Fluss vor sich‘, kurz: HBVF) ein traditionelles
Konzept für die Gestaltung von Wohnraum in Korea. Es bestimmt einen Ort, der
sich vor einem Berg und an einem Bächlein befindet, als idealen Bauplatz für
ein Wohngebäude. Es kommt also eher auf die Lage und Umgebung der Bauten als
auf die Struktur oder Gestalt des Hauses an. Der Raumkode des Baesanimsu beschränkt
sich jedoch nicht auf die Ausrichtung der Gebäude zu Berg und Wasser, er
beinhaltet zudem eine komplexe Struktur binärer Gegensätze wie vorne/hinten,
vertikal/horizontal und beweglich/unbeweglich. Die Häuser selbst
– ob für die Lebenden oder für die Toten – müssen nach der Peng-xu(
)-Topologie gebaut werden. Das Verständnis der traditionellen koreanischen
Architektur erfordert somit einen semiotischen Ansatz, der ihrem stärker
relationalen als substantiellen Denken gerecht wird.
Metapher
und Metonymie in den Gedichten von Jeong-ju Seo.
Hyun-ja
Kim
Summary.
The
lyrical work of the famous poet Jeong-ju Seo makes use of traditional Korean
imagery, enlarging its possibilities of expression. Subject matter is often
taken from old myths and well-known folk tales, for example the famous
love-story of Chunhyang. These themes are expressed in a lyrical language which
combines metaphor and metonymy in complex structures. The present paper analyzes
the metaphorical structure of two poems, making use of Benjamin Hrushovski’s
reference frame theory.
Zusammenfassung.
Das lyrische Werk des berühmten
koreanischen Dichters Jeong-ju Seo greift die vielfältige Bildsprache
traditioneller koreanischer Lyrik auf und erweitert sie um neue Möglichkeiten.
Die Stoffe stammen oft aus den überlieferten Erzählungen und Mythen,
beispielsweise der berühmten Liebesgeschichte von Chun-hyang. Sie werden in
einer lyrischen Sprache ausgedrückt, die metaphorische und metonymische Mittel
auf komplexe Art kombiniert. Mit Hilfe der Bezugsrahmen-Theorie von Benjamin
Hrushovski wird hier die Metaphernstruktur zweier Gedichte untersucht.
Ogu
– das Totenritual von
Yun-taek Lee und der Bühnenraum im modernen koreanischen Theater.
Hyun-sook
Shin
Summary.
In
modern Korean theater, the stage space is used to combine traditional elements
with the innovations of modern times, and the present contribution shows the way
this is done, by analyzing the stagings of the play Ogu – the Burial Rite by
Yun-taek Lee. The traditional Korean ritual Gut (a shaman ritual)
contains four steps: Cheongsin (‘invitation of the gods’), Osin (‘festival’),
Sinui-Cheongchui (‘hearing the message of the gods’), and Songsin (‘farewell
to the gods’). Osin can be considered the origin of Korean theater. In
the Gut ritual, the invited Gods are gratified through singing and
dancing and then asked to fulfill the wishes of man. There are several
variations of Gut. One of them is the Ogu-Gut – originally a
ritual in which the living call the Ogu-King from the other world and ask
him to guide the souls of the dead to the world of Nirvana.
Zusammenfassung.
Im modernen koreanischen
Theater wird der Bühnenraum dazu benutzt, traditionelle Elemente mit den
Neuerungen der Moderne zu verbinden, und wie dies geschieht, zeigt der
vorliegende Beitrag durch die Analyse von Aufführungen des Theaterstücks Ogu
– das Totenritual von Yun-taek Lee. – Das traditionelle koreanische
Ritual Gut (ein Schamanenritual) besteht aus vier Teilen, und zwar Cheongsin
(‚Empfang der Götter‘), Osin (‚Feier‘), Sinuicheongchui (‚Hören der
Götter-Botschaft‘) und schließlich Songsin ( : ‚Abschied‘). Der zweite
dieser Teile, Osin, gilt als Ursprung des traditionellen koreanischen Theaters.
Im Gut-Ritual werden die eingeladenen Götter durch Gesang und Tanz günstig
gestimmt und dann aufgefordert, die Wünsche der Menschen zu erfüllen. Es gibt
verschiedene Variationen des Gut: Eine von ihnen ist das Ogu-Gut – ursprünglich
ein Ritual, bei dem die Lebenden den Ogu-König aus dem Jenseits rufen und darum
bitten, die toten Seelen in die Welt des Nirwana zu geleiten.
Wie
Kobolde entstehen: Zur Semiotik des Dokkaebi.
Hyo-sub
Song
Summary.
The
Korean pixie Dokkaebi occurs in various forms in Korean cultural artifacts. It
appears as a protagonist in stories and is shown as a figure in talismans or on
tiles. Its representations can be linked to a prototype; but they are not
perfectly uniform or stereotypical. Rather, they differ from context to context.
The term “Dokkaebi” is a generic name, but appears as a proper name in
stories, where individual Dokkaebis never have individual names: This points to
the ambivalence of the Dokkaebi figure which combines generality with
individuality. Dokkaebis in talismans or tiles manifest ambivalence in appearing
dreadful and ridiculous at the same time. Dokkaebis occurring in stories
personify their own genesis: Dokkaebi semiosis. The question of how the Dokkaebi
is generated is here treated from a semiotic position opposed to historical or
psychological determinism.
Zusammenfassung.
Der Dokkaebi als typisch
koreanischer Kobold kommt in der koreanischen Kultur in verschiedenen Gestalten
vor. Man findet ihn gleichermaßen als Protagonist in Erzählungen wie als Figur
auf Wandfliesen oder als Talisman. Seine verschiedenen Ausprägungen lassen sich
auf einen Prototyp zurückführen, sind jedoch keinesfalls völlig gleich oder
stereotyp. Sie zeigen je nach Kontext verschiedene Erscheinungsformen. Das Wort
„Dokkaebi“ ist ein Gattungsname, dient in Erzählungen aber als Eigenname,
weil die Dokkaebis in Erzählungen keinen besonderen Namen tragen. Dadurch ist
bereits auf die Zwiespältigkeit der Dokkaebi-Figur verwiesen, die Allgemeinheit
und Besonderheit in sich vereint. Die als Talisman oder auf Wandfliesen
vorfindbaren Dokkaebis zeigen insofern ambivalente Merkmale, als sie zugleich
bedrohlich und lächerlich aussehen. Dokkaebis in Erzählungen sind
Personifizierungen ihrer eigenen Entstehung: der Dokkaebi-Semiose. In diesem
Artikel wird die Herstellung des Dokkaebi unter semiotischem Gesichtspunkt
untersucht, wobei historischer oder psychologischer Determinismus vermieden
werden soll.
Synkretismen
in der Küche: Ein Beitrag zur kulinarischen Semiotik.
Yo-song
Park
Summary.
This
paper outlines an interdisciplinary approach to the semiotic study of the
culinary cultures in all societies, based on structuralist analysis and text
theory. It deals with the sign character of food, its modes of preparation,
dining programs, the body behavior of eaters, culinary discourse and the
narratives involved in it as well as the ethics of eating. The descriptive
apparatus includes the feature hierarchy of gustemes, the morphology of meals,
the reality model applied to the ingredients, their recipe-dependent
collocations, the kinemics of food preparation and consumption, the proxemics of
the table companions, the semiotic square of eater types, and the food-related
figuration of culturemes. The syncretisms in the kitchen of all societies, which
are becoming increasingly obvious in the age of globalization, are to be
systematically described and explained by the equally syncretistic discipline of
culinary studies (culinaristics) which reformulates the relevant contributions
of all sciences and connects them into a unified approach.
Zusammenfassung.
Diese Arbeit entwirft einen
interdisziplinären Ansatz für die semiotische Untersuchung
der Esskulturen aller Gesellschaften und stützt sich dabei auf Strukturanalyse
und Texttheorie. Berücksichtigt werden der Zeichencharakter des Essens, die
Zubereitungsarten, die Speiseprogramme, das Körperverhalten der Esser, die
Essensdiskurse, die zugehörigen Erzählungen und die Ethik des Essens. Zum
Beschreibungsapparat gehören die Merkmalshierarchie der Gusteme, die
Morphologie der Gerichte, das Wirklichkeitsmodell für die Ingredienzien, ihre
rezeptbezogenen Kollokationen, die Kinemik der Essenszubereitung und des Essens,
die Proxemik der Tischgenossen, das semiotische Quadrat der Essertypen und die
essensbezogene Figuration der Kultureme. Ziel ist es, den im Zeitalter der
Globalisierung immer sichtbarer werdenden Synkretismen in der Küche aller
Gesellschaften eine theoretisch fundierte synkretistische Kulinaristik
(Wissenschaft vom Essen) gegenüberzustellen, die alle Facetten des Essens
beschreibt und erklärt, indem sie die einschlägigen Beiträge aller
wissenschaftlichen Disziplinen semiotisch reformuliert und zu einem
einheitlichen Ansatz verknüpft.
Intermedialität.
Ein Beitrag zur synkretistischen Semiotik.
Sung-do
Kim
Summary.
In
terms of text science and semiotics, the phenomenon of intermediality needs
careful investigation, since it has led to a fundamental transformation of
traditional notions concerning text and sign. Intermediality has a long history
in Eastern and Western civilizations; the introduction of electronic and digital
media which integrate text, image, video, and sound have enormously expanded the
possibilities and made intermediality a ubiquitous phenomenon. At the same time,
there is no systematic definition of this notion which integrates the diverse
disciplines in which it occurs. In this paper, a syncretistic semiotic
perspective is adopted following Émile Benveniste to explore the aspects of
interaction, juxtaposition, and fusion of image and text in relation to
intermediality. For this purpose, two media-theories are used which propose to
be relevant to the perspective of syncretistic semiotics: teletheory (Gregory
Ulmer) and the theory of remediation (Jay D. Bolter).
Zusammenfassung.
Aus texttheoretischer und
semiotischer Sicht sollte das Phänomen der Intermedialität zum Gegenstand gründlicher
Untersuchungen gemacht werden, insofern es zu einer tiefgreifenden Veränderung
der traditionellen Text- und Zeichenbegriffe geführt hat. Intermedialität ist
zwar eine uralte Erscheinung in der menschlichen Geschichte; jedoch hat durch
die Entwicklung der neuen elektronischen und digitalen Medien, die Schrift,
Bilder, Videos und Klänge miteinander verbinden, eine starke Erweiterung der Möglichkeiten
und der Verbreitung von Intermedialität stattgefunden. In der
wissenschaftlichen Behandlung der Intermedialität aber gibt es noch keine
systematische Definition, die allen relevanten Disziplinen gemeinsam ist. Im
vorliegenden Beitrag wird eine synkretistische semiotische Perspektive im
Anschluss an Émile Benveniste eingenommen, um Intermedialität im Hinblick auf
die Interaktion, Nebeneinanderstellung und Verschmelzung von Bild und Text zu
untersuchen. Zwei Medientheorien, die für die synkretistische Semiotik relevant
erscheinen, werden herangezogen: die Teletheorie (Gregory Ulmer) und die Theorie
der Remedialisierung (Jay D. Bolter).
Das
koreanische Hangul und das lateinische Alphabet: Eine semiotische Untersuchung
des Ursprungs zweier Buchstabenschriften.
Yong-ho
Choi
Summary.
The
Korean script Hangul was introduced in the middle of the 15th century by order
of King Sejong. Instead of letting pictograms stand for parts of words, it uses
phonograms to stand for phonemes. A similar transition took place in the
emergence of the Greco-Roman alphabet script, even if that was the result of an
evolutionary process lasting many centuries. The present contribution utilizes
the fact that the functioning of Hangul was explicitly explained by its
inventors in the book “Hun-minjeongeu” to answer the more general question
of why the history of scripts in the six thousand years shows a clear tendency
towards replacing pictogram scripts by phonogram scripts, as is also manifested
in the evolution of alphabetic scripts.
Zusammenfassung.
Das koreanische Schriftsystem
Hangul wurde Mitte des 15. Jahrhunderts per Erlass des Königs Sejong eingeführt.
Es setzt an die Stelle der vorher benutzten chinesischen Schrift, die mit
Piktogrammen arbeitet und Wortteile verschriftet, ein System von Phonogrammen,
die Phoneme verschriften. Ein ähnlicher Übergang hat bei der Entstehung der
griechisch-römischen Alphabetschrift stattgefunden, auch wenn diese dazu einen
Jahrhunderte langen Evolutionsprozess benötigte. Der vorliegende Beitrag nutzt
die Tatsache, dass die Funktionsweise der koreanischen Schrift von ihren
Erfindern selbst in dem (1940 wieder aufgefundenen) Buch „Hunminjeongeum“
explizit erläutert wird, um zu erklären, wieso in der sechstausend-jährigen
Geschichte der Schriften der Welt eine klare Tendenz zur Ersetzung von
Piktogrammschriften durch Phonogrammschriften besteht, die sich auch in der
Evolution der Alphabetschriften zeigt.
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