Roland Winkler
Gelehrte Worte über leere Wörter
Das Xuzi shuo von Yuan Renlin und die Partikeln in der traditionellen chinesischen Philologie, Stilistik und Sprachwissenschaft

Band 8, 1999, VI, 312 Seiten
EUR 29,-
ISBN 978-3-87276-838-4
Reihe: SinoLinguistica


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Die vorliegende Arbeit beruht auf einer Dissertation im Fach Sinologie, die im Jahre 1997 an der Philosophischen Fakultät für Altertumskunde und Kulturwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereicht wurde.

In der westlichen Sprachwissenschaft stellen die Partikeln gleichsam Fremdkörper dar, die - wenn überhaupt - nur am Rande behandelt werden, da sie nicht recht in das von Syntax und Morphologie dominierte System der Grammatik passen wollen. Im traditionellen China hingegen entwickelte sich im Laufe der Zeit eine von semantischen und stilistischen Gesichtspunkten ausgehende Unterscheidung in " volle " und " leere " Wörter bzw. Wortfunktionen. Prototypische " Vollwörter" waren danach konkrete Dinge bezeichnende Nomen, prototypische "Leerwörter" die auf keine außersprachliche Realität verweisenden grammatischen Funktionswörter bzw. Partikeln.

Will man das Klassische Chinesisch erlernen, ist eine eingehende Beschäftigung mit Funktionsweise und Verwendung der Partikeln unumgänglich, da über die morphologischen Eigenschaften dieser Sprachstufe des Chinesischen kaum etwas bekannt ist. Für das Klassische Chinesisch spielt die Kenntnis der Partikelfunktionen eine ähnlich wichtige Rolle wie die Beherrschung der Flektionsparadigmata im Falle des Lateinischen oder Griechischen. Aus diesem Grund begann ich mich dafür zu interessieren, wie in China vor dem Einfluß westlicher sprachwissenschaftlicher Theorien über die Partikeln nachgedacht wurde, insbesondere da dort zweitausend Jahre lang eine dem Klassischen Chinesisch nachempfundene Schriftsprache gelehrt und gelernt wurde. Das "Xuzi shuo", dessen Übersetzung und Analyse den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet, ist ein bislang wenig beachtetes Handbuch über Partikeln für den Schulunterricht aus dem frühen 18. Jahrhundert und repräsentiert eine solche von Einflüssen westlicher Theorien noch unberührte Sicht auf das Klassische Chinesisch.

Von den vielen Menschen, die am Entstehen dieser Arbeit beteiligt waren, möchte ich zuerst meinem verehrten Lehrer, Prof. Wolfgang Bauer, danken, der ihren Abschluß leider nicht mehr erleben konnte. Auch Prof. Michael Friedrich bin ich sehr zu Dank verpflichtet, daß er meine Betreuung übernommen hat und für die vielen Stunden, die er meinen " leeren Wörtern " widmete, ob in langen Gesprächen oder beim Durchsehen meiner Entwürfe. Prof. Helmolt Vittinghoff sei herzlich gedankt, daß er sich kurzfristig bereit erklärte, die Zweitkorrektur zu übernehmen.

Die traditionelle chinesische Sprachwissenschaft ist im Westen wenig bekannt. Das gilt besonders für den Bereich der Grammatik. Ziel dieser Untersuchung war es, mehr darüber in Erfahrung zu bringen, wie im traditionellen China vor dem Einfluß westlicher sprachwissenschaftlicher Theorien über Grammatik nachgedacht wurde. Dafür bieten sich aus verschiedenen, nicht zuletzt sprachtypologischen Gründen vor allem Abhandlungen über Partikeln, also grammatische Funktions- oder Strukturwörter, an.

Nach einem historischen Überblick über die Entwicklung des Partikelbegriffs, einer Diskussion wichtiger sprachwissenschaftlicher Kategorien (wie "leer/voll", "statisch/dynamisch") und dem Versuch einer Klassifikation der traditionellen Bezeichnungen für Unterarten von Partikeln wird das Xuzi shuo ("Erläuterung der Leerwörter") von Yuan Renlin, ein bislang wenig beachtetes Handbuch aus dem frühen 18. Jh., vorgestellt und analysiert. Im Rahmen dieser Untersuchung ist es vor allem deshalb von besonderem Interesse, weil der Autor explizit nur die wichtigsten Funktionen der seiner Meinung nach wichtigsten Partikeln erläutern wollte. Die von ihm verwendete Terminologie hat über das Mashi wentong nicht nur die moderne chinesische Linguistik beeinflußt, sondern zeugt auch von einer Perspektive, die im Vergleich zu westlichen Theorien stärker von der einem sprachlichen Ausdruck zugrundeliegenden kommunikativen Intention eines Sprechers ausgeht. In dieser Hinsicht lassen sich einige interessante Parallelen zur jungen Disziplin der Diskurslinguistik feststellen.

Im Anhang findet sich eine vollständige und annotierte Übersetzung des Xuzi shuo, ein terminologisches Glossar und eine Statistik der ca. 300 als Beispiele verwendeten Zitate.


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