Aus dem
Inhalt:
- Michael Hoffmann: Einleitung (Zusammenfassung)
- André De Tienne: Lernen, Geist, Semiose (Zusammenfassung)
- Michael Hoffmann: Die Paradoxie des Lernens und ein semiotischer Ansatz zu ihrer Auflösung (Zusammenfassung)
- Falk Seeger: Lernen mit grafischen Repräsentationen: Psychologische und semiotische Überlegungen (Zusammenfassung)
- Michael Hoffmann und Marcel Plöger:
Mathematik als Prozess der Verallgemeinerung von Zeichen. Eine exemplarische
Unterrichtseinheit zur Entdeckung der Inkommensurabilität (Zusammenfassung)
- Veranstaltungen
- Veranstaltungskalender
- Förderpreis Semiotik der DGS
- Nachrichten aus der DGS
- Vorschau auf den Thementeil der
nächsten Hefte
Zusammenfassung. MICHAEL HOFFMANN (Universität Bielefeld), Einleitung. Lernen als Zeichenprozess. Ziel
dieser Einführung in die Thematik ist zu zeigen, welche Rolle semiotische
Theorieansätze in der Tradition von Peirce im Blick auf zwei prominente
Forschungstraditionen der Pädagogik und Entwicklungspsychologie spielen können:
die durch Vygotskij begründete "kulturhistorische Schule" einerseits und die von
Piaget ausgehenden "konstruktivistischen" Ansätze andererseits. Des weiteren
wird ein Überblick über die Aufsätze des Themenheftes
gegeben.
Zusammenfassung. Andre De Tienne, Lernen, Geist, Semiose. Das schwer
zu bestimmende Wesen des Lernens zu erfassen, erfordert theoretische Werkzeuge,
die in einer tiefergehenden Analyse der allgemeinen Mechanismen von
Repräsentation erhärtet worden sind. Peirces semiotische Logik bietet gerade
solch eine Analyse und solche Werkzeuge an. Dieser Artikel prüft fünf
Behauptungen, die einer der aufschlussreichsten Peirceschen Schriften zu diesem
Thema entnommen sind: dass es eine wesentliche Beziehung zwischen Lernen und dem
Fluss der Zeit gibt, dass Lernen ein kontinuierlicher Prozess ist, dass es
gleichsam Schließen ist, dass es Interpretation ist, und schließlich, dass es
Repräsentation ist, und somit ein anderer Name für die zentrale Peircesche
Kategorie der Drittheit. Ich schlage unter anderem vor, Lernen als einen Prozess
der zunehmenden Sensibilisierung für alle Arten von Zeichen zu verstehen, der
begleitet wird durch ein fortschreitendes Erfassen der allgemeinen konditionalen
Gesetze, deren Realisierung die Gestalt der Zukunft
bestimmt.
Zusammenfassung. Michael Hoffmann (Universität Bielefeld),
Die Paradoxie des Lernens und ein semiotischer Ansatz zu ihrer Auflösung. Den Prozess des Lernens
verstehen zu wollen, setzt eine Auseinandersetzung mit der zuerst von Platon und
dann von Jerry Fodor formulierten Paradoxie des Lernens voraus, die auf folgende
Frage verweist: Wie ist der Übergang zwischen Wissensstufen erklärbar, wenn eine
neue kognitive Struktur dadurch definiert ist, dass sie Elemente enthält, die
weder deduktiv aus der vorangehenden Stufe ableitbar sind noch allein induktiv
aus der Erfahrung gewonnen werden können? Im vorliegenden Artikel wird gezeigt,
dass Piagets Versuch, dem Einwand Fodors mit der Entwicklung eines Begriffs der
Möglichkeit gerecht zu werden, aufgrund seiner zu starken Orientierung am
Erkenntnissubjekt letztlich nicht überzeugen kann. Als eine mögliche Lösung wird
dagegen Peirces Konzept "diagrammatischen Denkens" vorgestellt, das es erlaubt,
Lernen als einen Prozess zu verstehen, in dem der Lernende in der Konstruktion
von Diagrammen zum einen vage Möglichkeiten seines Denkens überhaupt erst einmal
fixiert und damit zum Gegenstand einer Betrachtung machen kann, und ihm zum
anderen im Experimentieren mit diesen Diagrammen andere Relationen zwischen
dessen Teilen deutlich werden als die in seiner Konstruktion
verwandten.
Zusammenfassung. Falk Seeger (Universität Bielefeld), Lernen mit grafischen Repräsentationen:
Psychologische und semiotische Überlegungen. Der vorliegende Beitrag
skizziert einige theoretische Aspekte einer psychosemiotischen Perspektive auf
das Problem des Lernens mit grafischen Repräsentationen. Der kulturhistorische
Ausgangspunkt dieser Überlegungen drückt sich in der Überzeugung aus, dass ein
konzeptioneller Fortschritt vor allem mit der Klärung der Spezifik von externen
Repräsentationen, ihrer Genese und ihres Gebrauchs, verbunden ist. Ein
vertieftes Verständnis der Wirkungen von Lernen mit Repräsentationen erfordert
zunächst, den Zusammenhang von externen und internen Repräsentationen besser zu
verstehen. Dazu gehört vor allem die Idee der qualitativen Verschiedenartigkeit
von Repräsentationssystemen, die erklärt, warum diese Systeme nicht nahtlos
ineinander übersetzt und abgebildet werden können. Daraus ergibt sich als
Forderung an der Unterricht und seine Bezugswissenschaften, dass der unter
didaktischer Perspektive oft klassisch als Routine erscheinende Wechsel von
Repräsentationsformen nicht als Lösung, sondern als das eigentliche Problem
betrachtet werden muss.
Zusammenfassung. Michael Hoffmann,
Marcel Plöger(Universität Bielefeld), Mathematik als Prozess der Verallgemeinerung
von Zeichenbegriffen: Eine exemplarische Unterrichtseinheit zur Entdeckung
der Inkommensurabilität. Den Sinn mathematischer Bildung im
Unterricht verständlich zu machen setzt voraus, dass Schülerinnen und Schüler
eine Vorstellung davon gewinnen, worin das Wesen der Mathematik gesehen werden
kann. Der Artikel entfaltet hierzu eine These, dass nämlich Mathematik als
Prozess der Verallgemeinerung von Zeichen verstanden werden kann, und er
entwirft einen Vorschlag für eine Unterrichtseinheit, in der diese These anhand
eines historischen Beispiels, der Entdeckung der Inkommensurabilität, plausibel
und anschaulich gemacht werden soll. Daneben verfolgt die Unterrichtseinheit
folgende Ziele: Sie soll zeigen, dass das Lernen selbst als ein Prozess der
Verallgemeinerung von Repräsentationssystemen verstanden werden kann, so dass
die Entwicklung mathematischen Denkens geradezu als Paradigma für
Erkenntnisentwicklung und Lernen dienen kann. Und es soll deutlich werden, dass
für individuelle wie für wissenschaftsgeschichtliche Verallgemeinerungsprozesse
erstens eine Komplementarität von anschaulichen und formalen Repräsentationen
und zweitens die Schaffung neuer idealer Gegenstände und entsprechender Zeichen
wichtig sind. Die Unterrichtseinheit wird am Ende des Artikels in drei Blöcken
im Detail entfaltet. Vorher werden Materialien zur Entdeckung der
Inkommensurabilität und zum geistesgeschichtlichen Kontext in Form einer
kritischen Darlegung des Forschungsstandes bereit gestellt.
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