Cinquante ans après la publication du Deuxième Sexe, Simone de
Beauvoir fait l’objet de controverses entre hagiographie et matricide. Alors que
les un-e-s l’exaltent comme fondatrice méconnue de l’existentialisme, les autres
la méprisent comme adepte du phallogocentrisme. Ce dossier se réfère à ce débat.
Sans nier son actualité – présente, entre autres, dans la discussion sur la
parité – il invite avant tout à replacer l’œuvre de Beauvoir dans l’histoire.
Pressestimmen:
"Ce numéro de
lendemains vaut le détour." Michel Winock, France
Culture
"[...] Es gleicht einem Wunder, dass es der Herausgeberin des
vorliegenden Bandes gelungen ist, die kanonisierten Thesen Beauvoirs zu
verlebendigen." Judith Klein, Neue Zürcher Zeitung,
23.11.2000.
"The very handsome Volume 94 of Lendemains edited
by Society member Ingrid Galster highlights "Cinquante ans après Le Deuxième
Sexe: Beauvoir en débats." [...] Following Dr. Galster's very comprehensive
coverage of publications and points of contention in Beauvoir research, the
Lendemains dossier contains a number of interviews: [...]. The final
section of this special issue of Lendemains is rich in reviews of books
by our Society members." Simone de Beauvoir Society Newsletter,
October 2000.
"Die letzten zwei Jahre waren von einer späten Würdigung
der Philosophin Simone de Beauvoir gezeichnet. [...] Besonders hervorzuheben
ist: Lendemains – Cinquante ans après le Deuxième Sexe [...]. Das
Schwerpunktthema der zum Teil in zwei Sprachen erscheinenden Zeitschrift für
vergleichende Frankreichforschung bringt interessante Beiträge der Organisatorin
der Eichstätter Konferenz Ingrid Galster, u.a. einen Überblick über die
Beauvoir-Forschung und die Rezeption von "Das Andere Geschlecht" 1949, einen
Beitrag von Rita Süssmuth über die Bedeutung Simone de Beauvoirs für
Frauenpolitik sowie eine kritische Rezension und fundierte Widerlegung der
Thesen von Edward und Kate Fullbrook, wonach nicht Beauvoir Schülerin von Sartre
sei, sondern Sartre der Schüler von Beauvoir." HexenFunk,
1/2001
Inhalt/Contenu:
Ingrid Galster: Introduction Maurice de Gandillac: « Ils
auraient pu les mettre ex aequo ». Entretien sur l’agrégation de Simone
de Beauvoir et d’autres sujets (Resümee) Jacqueline
Gheerbrant: « Nous sentions un petit parfum de soufre ». Entretien avec
J.G., ancienne élève de Simone de Beauvoir au lycée Molière (Resümee) Geneviève Sevel: « Je
considère comme une grande chance d’avoir pu recevoir son enseignement ».
Témoignage de G.S., ancienne élève de Simone de Beauvoir au lycée Camille Sée
(Resümee) Ingrid Galster: « Les
limites de l’abject ». La réception du Deuxième Sexe en 1949 (Resümee) Robert Misrahi: « En voulant
exalter son rôle, ils la diminuent ». Entretien sur la place de Simone de
Beauvoir philosophe et d’autres sujets (Resümee) Doris Ruhe: Simone de Beauvoir
und ihre Töchter (Résumé) Michelle Perrot:
Cinquante ans après Le Deuxième Sexe, où en est le féminisme en
France? (Resümee) Entretien Irene
Selle: La réception du Deuxième Sexe en RDA (Resümee) Rita Süssmuth: L’importance de Simone
de Beauvoir pour la politique des femmes (Resümee) Comptes rendus Hazel Barnes:
Margaret A. Simons: Beauvoir and « The Second Sex ». Feminism, Race, and
the Origins of Existentialism, New York, Rowman & Littlefield,
1999. Céline Léon: Edward and Kate Fullbrook: Simone de Beauvoir. A
Critical Introduction, Oxford-Malden, USA, Polity Press, 1998. Annette
Lavers: Elizabeth Fallaize (ed.): Simone de Beauvoir. A Critical
Reader, London and New York, Routledge, 1998. Liliane Kandel:
Catherine Rodgers: « Le Deuxième Sexe » de Simone de Beauvoir. Un
héritage admiré et contesté, Paris, L’Harmattan, 1998. Elizabeth
Fallaize: Eva Lundgren-Gothlin: Sex and Existence. Simone de Beauvoir’s «
The Second Sex », The Athlone Press 1996. Ingrid Galster: Toril
Moi: Simone de Beauvoir. Conflits d’une intellectuelle, Paris, Diderot
Editeur, 1995. Ingrid Galster: Eliane Lecarme-Tabone commente
Mémoires d’une jeune fille rangée de Simone de Beauvoir, Paris,
Gallimard/foliothèque, 2000.
RESÜMEE: MAURICE DE GANDILLAC/INGRID
GALSTER, «SIE HÄTTEN SIE EX AEQUO AUF PLATZ 1 SETZEN KÖNNEN» sprechen
über das Staatsexamen Beauvoirs und andere Themen. Maurice de Gandillac hat
gleichzeitig mit Beauvoir und Sartre das Staatsexamen in Philosophie vorbereitet
und wie sie 1929 bestanden. Später erfuhr er von Mitgliedern der
Prüfungskommission, daß diese lange zögerte, bevor sie Sartre in der Rangliste
auf Platz 1 und Beauvoir auf Platz 2 setzte: es hätte auch umgekehrt sein
können. Diese Information, die zuerst durch die Sartre-Biographie Annie
Cohen-Solals 1985 bekanntwurde, hat eine intensive Debatte bei feministischen
Beauvoir-Forscherinnen und -Forschern ausgelöst: Wenn Beauvoir, die zweieinhalb
Jahre jünger war als Sartre, nicht, wie er, an der Elitehochschule Ecole
Normale Supérieure auf die Prüfung vorbereitet worden war, sondern «nur» an
der Sorbonne, und noch ein Jahr übersprang, ihm fast den Rang streitig machte,
war sie ihm dann in Wirklichkeit nicht überlegen und mußte lediglich
zurückstecken, weil sie eine Frau war? Das Interview nimmt auf diese Debatte
Bezug.
RESÜMEE: JACQUELINE
GHEERBRANT, ENTRETIEN / GENEVIÈVE SEVEL, TÉMOIGNAGE, dokumentiert die
Erinnerungen zweier ehemaliger Schülerinnen Beauvoirs am Lycée Molière und am
Lycée Camille Sée. Die Tätigkeit Beauvoirs als Gymnasiallehrerin (1931-1943) ist
in Veröffentlichungen aus den neunziger Jahren äußerst negativ beurteilt worden.
In seinem Pamphlet über Beauvoirs und Sartres Aktivitäten während der deutschen
Besatzung identifiziert sich Gilbert Joseph unbeabsichtigt mit der ideologischen
Perspektive der Vichy-Regierung, die Beauvoir 1943 auf Antrag des Pariser
Rektorats aus dem Schuldienst entließ, weil sie nicht geeignet erschien, zur
Restaurierung der antirepublikanischen Werte beizutragen, die das Ziel dieser
Regierung war. Auch Deirdre Bair, deren Beauvoir-Biographie zur Zeit tonangebend
ist, kommt zu einer wenig zutreffenden Einschätzung. Durch die Erinnerung zweier
ehemaliger Schülerinnen wird dieses fragwürdige Bild korrigiert. Es zeigt sich
insbesondere, daß Beauvoir eine der ersten war, die die Phänomenologie in den
französischen Philosophieunterricht einführte.
RESÜMEE: INGRID GALSTER: «DIE GRENZEN DES WIDERLICHEN». DIE
REZEPTION DES DEUXIÈME SEXE IM JAHRE 1949, zeigt, daß die schnelle
Berühmtheit von Beauvoirs Fundament des egalitären Feminismus nicht zuletzt mit
dem Skandal zusammenhängt, den einige in den Temps modernes
vorveröffentlichte Kapitel des 2. Bandes im Sommer 1949 hervorriefen. Daß Texte
über die «Sexuelle Initiation der Frau» und die «Lesbierin» in einer
Kulturzeitschrift erschienen, bewertete François Mauriac als weiteres Symptom
eines allgemeinen Sittenverfalls in der Literatur, für den auch und vor allem
Autoren wie Sartre und Genet standen und von dem er die Nation bedroht sah. Der
vorliegende Artikel versucht eine zwar nicht vollständige, aber doch
umfassendere Analyse der Rezeption des Deuxième Sexe zum Zeitpunkt des
Ersterscheinens, als sie bis jetzt vorliegt. Da die Beauvoirforschung weitgehend
außerhalb Frankreichs stattfindet, ist die nötige Quellenarbeit erst mit großer
Verspätung geleistet worden. Die systematische Aufarbeitung und Analyse dieser
Rezeption sollte nicht nur Einsichten über die Rolle der Frau erlauben, wie sie
1949 in den unterschiedlichen ideologischen Gruppierungen und von Rezipienten
beiderlei Geschlechts gesehen wurde; sie könnte darüber hinaus – eventuell im
Vergleich mit der Rezeption von Publikationen wie der französischen Ausgabe des
Kinsey-Reports (1948) – Aufschlüsse darüber liefern, wie Sexualität schlechthin
im französischen après-guerre besprochen (oder beschwiegen) wurde und
damit zu einer breiter angelegten Geschichte der (Geschlechter-) Mentalitäten
beitragen.
RESÜMEE: INTERVIEW MIT
DEM PHILOSOPHEN ROBERT MISRAHI ÜBER BEAUVOIRS BEDEUTUNG ALS PHILOSOPHIN UND
ANDERE THEMEN. Seit Einführung der feministischen Perspektive in die
Beauvoirforschung wurde mit Recht Beauvoirs eigenständige Leistung als
Philosophin betont, die lange hinter Sartres Werk verschwand. Eine Gruppe von
Beauvoir-Forscherinnen und -Forschern versucht seit einiger Zeit darüber hinaus
zu zeigen, daß die originäre Kraft hinter zentralen Konzepten der Sartre
zugeschriebenen Philosophie in Wirklichkeit Beauvoir gewesen sei. Robert
Misrahi, der beide Philosophen und ihr Denken seit 1943 kennt und auf dessen
Anregung Beauvoirs philosophische Schrift Für eine Moral der
Doppelsinnigkeit (1946) zurückgeht, äußert sich zu dem Plagiatsvorwurf, der
Sartre posthum gemacht wurde, ebenso wie zu differenztheoretischen Ansätzen, die
Beauvoirs Feminismus dem Phallogozentrismus zuschlagen.
RESUME: DORIS RUHE; SIMONE DE BEAUVOIR ET SES FILLES, essaie de
démontrer que les prémisses établies par Simone de Beauvoir et résumées par sa
phrase-clef «On ne naît pas femme: on le devient» – le féminin non comme
essence, mais en tant que produit de la civilisation – forment toujours la base
de tout débat féministe. En se détournant de l’égalitarisme proclamé par Simone
de Beauvoir, les œuvres des féministes de la génération qui lui a succédé – en
particulier Luce Irigaray et Hélène Cixous, dans une moindre mesure Julia
Kristeva – font penser au dynamisme d’un conflit entre mère et fille qui, le
temps aidant, est en train de perdre de son acuité. Les recherches actuelles aux
U.S.A., surtout celles liées au nom de Judith Butler – figure de proue du
courant majoritaire – ont tendance plus que jamais à remettre à l’ordre du jour
la question de la construction sociale des genres, voire même des
sexes.
RESÜMEE: MICHELLE PERROT/INGRID
GALSTER, FÜNFZIG JAHRE NACH BEAUVOIRS ANDEREM GESCHLECHT: WO STEHT DER
FRANZÖSISCHE FEMINISMUS HEUTE? In diesem Anfang 1999 schriftlich geführten
Interview äußert sich die Historikerin zum aktuellen Stand des französischen
Feminismus. Obwohl er strukturell nur schwach verankert ist, übt er einen
relativ großen Einfluß aus. Insbesondere haben die Feministinnen erreicht, daß
die Forderung nach Parität bei den politischen Mandaten zu einer Änderung der
französischen Verfassung führte. In den weiterhin angeschnittenen Themen geht es
unter anderem um das Gewicht der verschiedenen feministischen Strömungen und die
Wechselwirkungen mit dem US-amerikanischen Feminismus.
RESÜMEE: IRENE SELLE, VERÖFFENTLICHUNG UND REZEPTION DES
ANDEREN GESCHLECHTS IN DER DDR – EIN ERFAHRUNGSBERICHT, erhellt eine in
Ost und West weitgehend verborgene Geschichte des Werkes, an der die Autorin
selbst auf wissenschaftlichem Gebiet, als Verlagsgutachterin und durch
Vortragstätigkeit in Nischen der DDR-Gesellschaft mitwirkte. Das Buch wurde in
der DDR auf Grund offiziell herrschender Vorurteile anti-existentialistischer
und anti-feministischer Art erst in der Endphase des Staates veröffentlicht und
zu diesem Zeitpunkt kaum noch wahrgenommen. Dennoch wurde es dank zirkulierender
Westexemplare bereits vorher rezipiert. So konnte es in verschiedenen
DDR-kritischen Kreisen, oftmals unter dem Dach der Evangelischen Kirche, seinen
emanzipatorischen Gehalt entfalten.
RESÜMEE: RITA
SÜSSMUTH, DIE BEDEUTUNG SIMONE DE BEAUVOIRS FÜR DIE FRAUENPOLITIK, nimmt zu
dem Stellung, was Simone de Beauvoir für sie persönlich bedeutet (die Romanistin
und Pädagogikprofessorin war von 1985 bis 1988 Bundesministerin für Jugend,
Familie, Frauen und Gesundheit, bevor sie 1988 Präsidentin des Deutschen
Bundestages wurde), und was sie für die Politik der Christlich-Demokratischen
Union trotz aller Widerstände bedeutet hat. Sie schließt mit einer engagierten
feministischen Standortbestimmung. Der Text geht auf einen Vortrag zurück, den
die Politikerin am 13. November 1999 in französischer Sprache auf dem
internationalen Kolloquium Pour une édition critique du «Deuxième sexe»
an der Katholischen Universität Eichstätt gehalten hat.
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