Schreiben nach
der Wende bietet eine erste
kritische und umfassende Übersicht über die deutsche Literatur nach der
Epochenzäsur von 1989/90. Die 25 Mitarbeiter des Bandes zeichnen Tendenzen und
Entwicklungen auf, analysieren thematische Schwerpunkte und zentrale
Fragestellungen und widmen sich in exemplarischen Einzeluntersuchungen den
repräsentativen Autoren und Werken, die das Bild der Literatur der 90er Jahre
bestimmen. Der thesenhaft-provozierende Titel des Beitrags von Iris Radisch (“Es
gibt zwei deutsche Gegenwartsliteraturen in Ost und West!”), der den Band
eröffnet, spiegelt auch dessen inhaltliche Gliederung. Im ersten Teil geht es um
die Leitthemen “Epochendiskurse und Geschichtsfiktionen”, wobei zumeist die
Perspektivik von Autoren westlicher Provenienz im Mittelpunkt steht. Während die
ersten Essays übergreifende Fragestellungen wie die Konstruktion von
Generations- und Epochenbegriffen oder das Problem der “Nationalliteratur” bzw.
der Literatur in der Mediengesellschaft untersuchen, befassen sich die folgenden
Beiträge des ersten Teils mit Einzelinterpretationen zu Fragen der fiktionalen
Verarbeitung von Geschichte und Zeitgeschichte. Im zweiten Teil des Bandes
(“Mythos und Lebensgefühl”) rücken vor allem ostdeutsche Autoren und Autorinnen
in den Mittelpunkt der Untersuchungen. Thematisiert werden u.a. das Problem der
“Re-Mythisierung” in Literatur- und Geschichtsdiskurs, die Funktion
biographisch-dokumentarischen Schreibens von Ost-Autorinnen nach der Wende,
literarische Kindheits- und Heimatkonstruktionen im Kontext der Aufarbeitung der
Geschichte der DDR, die Darstellung von Ost-West-Begegnungen oder das Problem
einer neuen “Hauptstadtliteratur”. Die thematisch übergreifenden Beiträge des
zweiten Teils werden ergänzt durch Einzelanalysen, in denen es vor allem um die
Darstellung eines widersprüchlichen, neuen “Lebensgefühls” in den Werken
jüngerer Autoren geht.
Aus dem Inhalt:
G.
Fischer, Vorwort; D. Roberts, Einleitung; I. Radisch, Prolog: Es gibt zwei deutsche
Gegenwartsliteraturen in Ost und West!
Teil I: Epochendiskurse und Geschichtsfiktionen EPOCHENDISKURSE: R. G. Renner,
Konstanz und Variation deutscher intellektueller Diskurse; T. Anz, Epochenumbruch und Generationenwechsel? Zur
Konjunktur von Generationenkonstrukten seit 1989; H.
Peitsch, Zur Rolle des Konzepts ‘Engagement’ in der Literatur der 90er
Jahre: “ein gemeindeutscher Ekel gegenüber der ‘engagierten Literataur’”?; S. Brockmann, Die Nation orten, die Literatur orten; L. Koepnick, Reden über Deutschland: literarische
Kultur in der Mediengesellschaft; FIKTIONEN DER DEUTSCHEN GESCHICHTE: K. R. Scherpe, Geschichten im Posthistoire: Christoph
Ransmayrs Nachkriegsroman der Zweiten Generation; H.-J.
Knobloch, Eine ungewöhnliche Variante in der Täter-Opfer-Literatur: Bernhard
Schlinks Roman Der Vorleser; J. Drews, Stimmen aus der Vergangenheit. Walter
Kempowskis und Paul Wührs Gesprächs mit Alltagsdokumenten und mit deutschen
Dichtern der Vergangenheit. Zwei Arten, Erinnerung zu stiften; H.-P. Preußer, Epochenromane in der Postmoderne:
Hanns-Josef Ortheils Bilder der alten und der zu Ende gegangenen Bundesrepublik,
oder: Schwerenöter versus Abschied von den Kriegsteilnehmern; D. Roberts, System und Simulation. Wolfgang Hilbigs
Endspiel von Geist und Macht in der DDR; G. Fischer,
Der Literat als Historiker: Zur Darstellung der Zeitgeschichte nach 1998 bei
Günter Grass und Friedrich Christian Delius; R.-H. Kim,
“Ich beherrsche das Imperfekt nicht.” Botho Strauß und das Unbehagen im
Umgang mit der Vergangenheit.
Teil II:
Mythos und Lebensgefühl ZUR WIEDERKEHR DER MYTHEN IN
GESCHICHTE UND LITERATUR: I. Stephan, Die Bösen
Mütter: Medea-Mythen und nationale Diskurse in Texten von Elisabeth Langgässer
und Christa Wolf; A. Lewis, Die imaginäre
Gemeinschaft deutscher Nation: Geschichten einer gescheiterten
Ost-West-Begegnung in zwei ostdeutschen Romanen; S.
Beinssen-Hesse, Christa Wolfs Medea. Stimmen und die Krise des Opferkults; B. Greiner, “Bleib in dem Bild”: Die Verweigerung von
Geschichte(n) auf dem Theater. Peter Handke Die Stunde
da wir nichts voneinander wußten und Botho Strauß Schlußchor; LEBENSGEFÜHLE IM OSTEN UND WESTEN: K. E. Reimann, Sprachlosigkeit nach der Wende?
Dokumentarisches Material von DDR-Autorinnen nach 1989; R. Skare, Auf der Suche nach Heimat? Zur Darstellung
von Kindheitsheimaten in Texten jüngerer ostdeutscher Autorinnen und Autoren
nach 1990; T. Menke, Lebensgefühl(e) in Ost und West
als Roman: Ingo Schulzes Simple Storys und Norbert
Niemanns Wie man's nimmt. Mit einem Seitenblick auf
Tim Staffels Terrordrom; H.
Briel, Humor im angesicht der Absurdität: Gesellschaftskritik in Thomas
Brussigs Helden wie wir und Ingo Schulzes Simple Storys; S. Ledanff,
“Metropolisierung” der deutschen Literatur? Welche Möglichkeiten eröffnen
das vereinigte Berlin und die neue Berliner Urbanität?; C. Weller, Peter Schneiders Berlin-Trilogie:
(Zwillings-)Paare und Trennungen, oder: Die amoklaufende Metapher; J. Ryan, Das Motiv der Schädelnähte bei Durs
Grünbein.
Epilog M. Silberman, European Cinema
in the 90s: Whither Germany?
Pressestimmen / Book reviews: "Der Titel des Sammelbandes ist treffend gewählt,
bezeichnet er doch das facettenreiche Feld des Schreibens nach 1989/90 ohne es
einer verengenden These zu unterstellen. [...] Als Dokumentation des >Sydney
German Studies Symposium< im Juli 2000 stellt der Sammelbd. innerhalb des
immer mal wieder auch von Ressentiment und Polemik durchzogenen Forschungsfeldes
zur zeitgenössischen Literaturproduktion einen wohltuend undogmatischen und
gleichwohl kritischen Beitrag dar." Elke Brüns in: Germanistik, Band 43 (2002) Heft 1/2
"Overall,
the essays collected here grant significant insights into a number of the most
important German literary texts from the 1990s. The majority of the essays deal
with longer narratives, with poetry, short stories, documentary texts,
theatrical works, and film, discussed in one essay each. [...] this volume will
provide students and scholars of post-unification German literature with ample
food for thought." Carol Anne Costabile-Heming, in: Gegenwartsliteratur. Ein
germanistisches Jahrbuch/A German Studies Yearbook
3/2004
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