Seit mehr als fünfzehn Jahren ist in der deutschen Medienlandschaft der
Umgang mit der nationalen Geschichte ein Gegenstand heftiger Debatten. Der
Höhepunkt der öffentlichen Auseinandersetzung in den neunziger Jahren scheint
auf Martin Walsers Friedenspreisrede vom 11. Oktober 1998 zu liegen.
Nicht von
ungefähr hat gerade eine Rede von Martin Walser den jüngsten Deutschland-Streit
ausgelöst. Walsers Schaffen hat eine besondere Sensibilität für nationale
Belange entwickelt. Er scheint sowohl der
traditionellen Spannung zwischen der engen Heimat und der großen Nation als auch der intellektuellen Nachkriegslandschaft
zwischen links und rechts, zwischen engagiert und auf die Autonomie der Kunst
bedacht, nachgespürt zu haben. Walsers politische Ansichten finden zwar in
breiteren Leserkreisen Zustimmung, sie stoßen dennoch bei vielen Intellektuellen
auf heftige Kritik bis Ablehnung. Für einen nicht-deutschen Europäer wird
Walsers Schaffen zur Herausforderung, die sich nicht immer mit einem
hermeneutischen Abstand bewältigen läßt; sein Wunsch der
‚Normalisierung’ oder der Entritualisierung der Erinnerung provoziert durch die
Hypertrophie der nationalen Sensibilität, beweist allerdings auch sein
anhaltendes Engagement gegen die ideologische Vereinnahmung der Geschichte.
In vier Diskussionsblöcken soll in dem Buch Zwischen Heimat
und Nation. Das deutsche Paradigma? Zu Martin Walser den Mäandern von Walsers
Suche nach nationaler Identität nachgegangen werden. Der Blick auf seine
Heimat-Publizistik eröffnet das Thema. Es folgt die Interpretation der
Bodensee-Thematik in den belletristischen Werken, welche sich den bereits aus
der Publizistik gewonnenen Einsichten zu entziehen scheinen. Der Frage nach dem
Weg zum deutschen Nationalbewußtsein wird das dritte, umfangreichste Kapitel
gewidmet, in dessen Fortsetzung die Friedenspreisrede problematisiert wird. Ein
kurzes Kapitel über die Deutschland-Frage in den Dramen ergänzt diesen
Themenkomplex. Der nächste Teil fragt nach Walsers Protagonisten, der zu einem
‚deutschen‘ Helden stilisiert wird. Abgeschlossen wird die Studie durch die
Analyse des Romans Ein springender Brunnen, der eine neue Phase im Schaffen des
Autors zu eröffnen scheint.
Rezensionen/ Book
reviews: "Alles in allem gewährt
die Studie einen informativen Einblick nicht nur in das Spannungsverhältnis von
Heimat und Nation in Walsers Schaffen sondern auch in kulturgeschichtliche
Entwicklungen, die seine vier Jahrzehnte umspannende Schriftstellerkarriere
prägten." Alexander
Mathäs,
in: Gegenwartsliteratur. Ein
germanistisches Jahrbuch/A German Studies Yearbook 3/2004
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