Sabine Boscheinen Unendliches Sprechen Zum Verhältnis von "conversation" und "écriture" in Marcel Prousts 'A la recherche du temps perdu' |
EUR 24,80 ISBN 978-3-86057-522-2 Reihe: Siegener Forschungen zur romanischen Literatur- und Medienwissenschaft |
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Als herausragendes Charakteristikum der Texte der
Recherche ist das inflationäre Sprechen anzusehen, das vor allem in
den schier endlos langen Konversationspassagen beobachtbar wird. Die
Untersuchung weist nach, daß eine Analogie zwischen dem "unendlichen
Sprechen" in der Salonkonversation und dem "unendlichen
Schreiben" besteht, insofern die Proustsche Schreibweise strukturelle
Merkmale des inflationären Sprechens in der Salonkonversation erkennen
läßt. Bei der kritischen Auseinandersetzung mit der bereits
vorhandenen Forschungsliteratur zur Konversation in Prousts Recherche
fällt auf, daß die kommunikative Leistung der Salonkonversation an
der kommunikativen Leistung lebendiger Rede gemessen wird. Dieser wiederum wird
die Möglichkeit der Produktion authentischer Mitteilungsformen unterstellt.
Wird der Text auf die Frage nach dem Verhältnis von écriture
und Salonkonversation hin gelesen, erscheint Authentizität nicht mehr
unproblematisch behauptbar, weil deutlich wird, daß der Text seine eigenen
Konstruktionen mitreflektiert. Authentizität wird als konstruierter Effekt
sichtbar und aus diesem Grund als Maßstab für écriture
und Konversation fragwürdig. Die Salonkonversation, so wie sie sich in der
Recherche darstellt, ist eine an schriftlichen Vorgaben orientierte
Kommunikationsform, deren Dynamik die vorliegende Untersuchung zu ihrem
Gegenstand hat. Die Bedeutung der schriftlichen Vorgaben, die die
Salonmitglieder dazu befähigen, sich auf dem Parkett mondäner
Geselligkeit richtig zu bewegen, zeigt sich vor allem in der Verwendung von
Gemeinplätzen als iterativem und stereotypem Sprachmaterial, das eher
konzeptioneller Schriftlichkeit denn Mündlichkeit entspricht, und am
gekonnt richtigen Zitieren von Literatur zur Vermeidung von
Kommunikationsrisiken in der Salonkonversation. Die richtige Plazierung von
Gemeinplätzen und Zitaten in der Konversation wird dadurch nicht unter
einem kommunikationstechnischen Aspekt interessant, den es zu erörtern
gilt. |
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