Zeichenphilosophie im 19. Jahrhundert
Herausgegeben von Dieter Münch

ZfS, Band 23 Heft 1/2001
EUR 17,50
ISBN 978-3-86057-947-3


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Neue Seite 2

Aus dem Inhalt:

  • D. Münch: Einleitung

  • U. Neemann: Zeichen in Sprache und Denken nach Bernard Bolzano (Zusammenfassung)

  • U. Dathe: Rudolf Eucken als Sprachkritiker und Zeichenphilosoph (Zusammenfassung)

  • P. Spinicci: Phänomenologischer Objektivismus und Sprachpragmatik: Grundkonzepte der Sprachauffassung Anton Martys (Zusammenfassung)

  • V. Raspa: Zeichen, "schattenhafte" Ausdrücke und fiktionale Gegenstände: Meinongsche Überlegungen zu einer Semiotik des Fiktiven (Zusammenfassung)

  • W. Mack: Zeichen und Ausdruck in der Sprachtheorie Wilhelm Wundts (Zusammenfassung)

  • Nachruf: E. W. B. Lüttich, J. Mecke, M. Titzmann: 
    In memoriam Brigitte Schlieben-Lange (1943-2000)

  • Veranstaltungen, Veranstaltungskalender, Förderpreis der DGS, Vorschau auf den Thementeil der nächsten Hefte



Ursula Neemann, Zeichen in Sprache und Denken nach Ockham, Lambert und Bolzano
Zeichen sind nach B. Bolzano wirkliche Gegenstände oder Prozesse, die nicht als etwas Für-sich-selbst-Stehendes, sondern als Hinweise auf ein Anderes verstanden werden. Das durch sprachliche Zeichen Bezeichnete ist das, was den Benutzern einer Sprache als einheitliche semantische Basis dient, was als Bereich von Vorstellungen und Sätzen an sich vorgegeben ist, also das, was unter der Intension von Zeichen verstanden wird. Extensionaler Bezug, also Referenz auf außermentale Objekte, ist nur indirekt auf dem Umweg über die Intensionen möglich. Im weiteren Verlauf der Darstellung wird Bolzanos Gebrauch der Ausdrücke „Sinn" und „Bedeutung" erklärt. Ferner werden die mit seiner Betonung des intensionalen Aspekts verbundenen erkenntnistheoretischen Probleme angesprochen und im Vergleich mit den Zeichentheorien von W. von Ockham, von J. H. Lambert und von G. W. Leibniz verdeutlicht. Dabei geht es um die Frage, ob die durch sprachliche Zeichen bezeichneten Inhalte Abbilder der außermentalen Objektwelt sind oder ihre Funktion sich darin erschöpft, auf die Welt des Außermentalen nur zu verweisen, ohne dieser selbst ähnlich zu sein. 


Uwe Dathe, Rudolf Eucken als Sprachkritiker und Zeichenphilosoph
Neben Autoren wie O. F. Gruppe, G. Gerber, M. Müller, L. Noiré und G. Runze, deren sprachphilosophische Arbeiten von H. J. Cloeren und S. J. Schmidt gewürdigt wurden, gehört auch der Philosoph R. Eucken in die Tradition der nicht-formalen Sprachanalytik des 19. Jahrhunderts. In seinen Arbeiten zur Begriffs- und Terminologiegeschichte sowie zur Funktion von Metaphern in der Philosophie entwickelte Eucken originelle Ansichten zum Verhältnis von Sprache und Denken und zur Bedeutung von Begriffen und Fachtermini. Er war einer der scharfsinnigsten Kritiker der philosophischen Sprache seiner Zeit und gab wichtige Hinweise zur Reform der philosophischen Terminologie. Euckens sprachphilosophische und semiotische Überlegungen beeinflussten G. Runze, G. Frege, F. Tönnies und K. Jaspers.


Paolo Spinicci, Phänomenologischer Objektivismus und Sprachpragmatik: Grundkonzepte der Sprachauffassung Anton Martys
Nach Marty hängt die Sprachform nicht nur von der psychologischen Struktur der Bedeutung ab sondern auch von den tatsächlichen Bedingungen der Mitteilung. Marty vertritt deshalb die Auffassung, dass eine allgemeine und universale Grammatik zwei verschiedene Aufgaben zu lösen hat: Als phänomenologischer Objektivist muss der Semasiologe die Grundstrukturen der inneren (und äußeren) Erfahrung beschreiben, die in jeder menschlichen Sprache zum Ausdruck kommen. Als Sprachtheoretiker muss er andererseits versuchen, einige universale Sprachkonturen als Ergebnis der Grundformen des kommunikativen Handelns zu deuten. Der vorliegende Beitrag ist besonders der Herausarbeitung dieses letzten Themas, d.h. der pragmatischen Fundierung der Sprache durch Marty, gewidmet.


Venanzio Raspa, Zeichen, „schattenhafte" Ausdrücke und fiktionale Gegenstände: Meinongsche Überlegungen zu einer Semiotik des Fiktiven
Diese Arbeit versucht Meinongs Zeichentheorie auf die Analyse von literarischen Texten anzuwenden. Dazu werden besonders Worte und Sätze in Betracht gezogen, die nach Meinong, sofern sie in literarischen Texten vorkommen, Phantasie-Erlebnisse ausdrücken, welche er in „ernstartige" und „schattenhafte" einteilt. Die ernstartigen Phantasie-Erlebnisse lassen sich aus dem fiktionalen Kontext lösen, sind also auch in anderen Kontexten verständlich; die schattenhaften finden dagegen nur in ihrem Kontext eine Erklärung. Das heißt auch, dass die schattenhaften Erlebnisse weniger bestimmt sind als die ernstartigen. Die von diesen Erlebnissen bzw. Ausdrücken präsentierten Gegenstände sind identisch mit den Bedeutungen der betreffenden Zeichen. Die Bestimmtheit des Erlebnisses steht in Relation zur Vollständigkeit seines Gegenstandes; folglich entspricht einem schattenhaften Erlebnis ein unvollständiger Gegenstand. Außer als unvollständige Gegenstände lassen sich die fiktionalen Gegenstände schließlich als nicht-existierende, von der menschlichen Phantasie produzierte Gegenstände höherer Ordnung definieren, die zusammen mit dem sprachlichen Ausdruck zur Welt gebracht wurden und an den Kontext, oder die Kontexte, gebunden sind, in die die Phantasietätigkeit sie gestellt hat.


Wolfgang Mack, Zeichen und Ausdruck in der Sprachtheorie Wilhelm Wundts
W. Wundt gilt als Begründer der wissenschaftlichen Psychologie; seine Arbeiten zur Sprachpsychologie, aber auch seine Überlegungen zur genetischen Abhängigkeit der Sprache von nonverbalen Zeichen sind weniger bekannt. Daher wird sein Zugang zu semiotischen Problemen, insbesondere zu seiner Auffassung, dass die Sprache im motorischen Verhalten und in Gesten wurzelt, skizziert. Diese Auffassung lässt sich nur angemessen würdigen, wenn man den philosophischen Hintergrund und seine Konzeption der Psychologie mit in Betracht zieht. Es wird argumentiert, dass trotz der programmatischen Zweiteilung der Psychologie in eine individuenzentrierte experimentelle Psychologie („Physiologische Psychologie") und eine sozialorientierte Psychologie („Völkerpsychologie") Wundt einer solipsistischen Auffassung der Zeichen- und Bedeutungsgenese verhaftet bleibt. Dies wird auch deutlich, wenn man Wundts Konzeption der Genese sprachlicher Zeichen in der Geste mit der kritischen Weiterentwicklung dieser Konzeption durch G. H. Mead vergleicht. Es wird ersichtlich, dass Wundt insbesondere der pragmatischen Dimension des gestischen Ausdrucks zu wenig Beachtung schenkt.


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