Aus dem Inhalt:
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Ingo Warnke: Texte in Texten –
Poststrukturalistischer Diskursbegriff und Textlinguistik (Abstract)
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Katja Faulstich:
„Es gibt viel Raum diesseits des Rubikon“. Diskursanalytische
Untersuchung des Begriffs ‚Leben‘ im Umfeld der 2. Berliner Rede des
Bundespräsidenten Johannes Rau (Abstract)
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Klaus Brinker: Textsortenbeschreibung auf handlungstheoretischer
Grundlage (am Beispiel des Erpresserbriefs) (Abstract)
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Valérie Robert:
Briefformen in
der Presse. Versuch einer situativen und metakommunikativen Klassifizierung
(Abstract)
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Mikaela Petkova Kessanlis: Antrittsvorlesungen – ein Fall für sich? (Abstract)
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Jakob Wüest: Teiltextsorten
und Sprechakthierarchie in Gerichtsurteilen (Abstract)
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Wolf Dieter Krause: Text und
Textsorte in der fremdsprachigen Kommunikation
(Abstract)
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Kirsten
Adamzik: Interaktionsrollen. Die Textwelt und ihre Akteure (Abstract)
Ingo Warnke: Texte in Texten -
Poststrukturalistischer Diskursbegriff und Textlinguistik.
Der Aufsatz behandelt Grundlagen einer zukünftigen Diskurslinguistik, die sich
als Erweiterung bisheriger Forschungsfelder der Textlinguistik begreift. Dabei
erfolgt ein Bezug auf die poststrukturalistische Philosophie, insbesondere in
der Ausprägung Michel Foucaults. Es wird gezeigt, dass die Rezeption des
linguistischen Strukturalismus in der Philosophie erfolgt, eine Rezeption des
Poststrukturalismus durch die Sprachwissenschaft jedoch noch zu erwarten ist.
Die Diskurslinguistik, die Texte in Texten untersucht, bietet dafür ein
geeignetes Feld.
Katja Faulstich: „Es gibt viel Raum diesseits
des Rubikon". Diskursanalytische Untersuchung des Begriffs Leben im Umfeld
der 2. Berliner Rede des Bundespräsidenten Johannes Rau. Am Beispiel der Diskussion um die Gentechnologie und insbesondere um die
Erforschung embryonaler menschlicher Stammzellen stellt Faulstich den Ansatz
einer diskursanalytischen Untersuchung vor, die der Bedeutungskonstitution von
Zentralbegriffen im Kontext umfassenderer Argumentationszusammenhänge nachgeht.
Grundlage der Untersuchung sind Pressetexte, die Argumentationsmuster in Bezug
auf Leben enthalten und inhaltlich im Zusammenhang mit der einflussreichen Rede
von Rau stehen. Vorgeschlagen wird ein Mittelweg zwischen rein formal
charakterisierbaren und thematisch präzisierten Argumentationsmustern, der zur
Herausarbeitung kontextspezifischer Topoi führt. Im Korpus finden sich
einerseits mehrere allgemein verbreitete Topoi, nämlich: Geschichts-Topos (weil
die Geschichte lehrt ...), Gesetzes-Topos (weil ein Gesetz vorschreibt ...),
Ethik-Topos (weil eine Handlung mit ethischen Prinzipien übereinstimmt ...),
Gefahren-Topos (weil eine Handlung gefährliche Folgen hat ...), Nutzen-Topos
(weil eine Handlung einen Nutzen bringt), andererseits jeweils ein thematisch
spezifischer Topos der Befürworter und Gegner: Identitäts- bzw.
Differenz-Topos (weil der Embryo unter dem Aspekt xy mit menschlichem Leben
(nicht) gleichzusetzen ist ...). Das Vorkommen der Topoi wird quantitativ
ausgewertet und mit zahlreichen Belegen illustriert.
Klaus Brinker: Textsortenbeschreibung auf
handlungstheoretischer Grundlage (am Beispiel des Erpresserbriefs).
Brinker stellt zunächst sein allgemeines Modell der Text(sorten)beschreibung
vor, bei dem er die folgenden Aspekte unterscheidet: situativer (kontextueller)
Aspekt, Textfunktion, Textthema und sprachliche Beschreibungsebene. Er
exemplifiziert dies dann am Beispiel des Erpresserbriefes: Über die genauen
situativen Umstände gibt das (vom BKA anonymisiert zur Verfügung gestellte)
Material keinen Auf-schluss; Brinker rechnet Erpresserbriefe „eher dem
privaten als dem offiziellen Handlungsbereich" zu und geht v.a. auf die
Selbstdarstellung und Hinweise auf die Beziehung zwischen den Interaktanten ein,
die teilweise stilisiert wird (etwa als geschäftsmäßige). In textfunktionaler
Hinsicht werden Erpresserbriefe als „spezifische Verbindung von zwei
Funktionstypen" (Drohen und Sanktionsankündigung) charakterisiert. Die
thematische Struktur basiert entsprechend auf zwei Themen (Zahlung, Sanktion),
die jeweils nach dem deskriptiven Muster entfaltet werden. Ein eigener Abschnitt
ist den (bei übereinstimmenden konstitutiven Merkmalen gleichwohl möglichen)
Strukturvarianten der Textsorte gewidmet. In dem kurzen Abschnitt zu
sprachlich-stilistischen Aspekten geht Brinker v.a. auf die Bedeutung der
strategischen Wahl stilistisch markierter Formen ein.
Valérie Robert: Briefformen in der Presse.
Versuch einer situativen und metakommunikativen Klassifizierung. Im Gegensatz zu anderen Studien (zum Offenen Brief), in denen als Grundlage
in der Regel isoliert voneinander entstandene Exemplare herangezogen werden,
geht es Robert wesentlich darum, verschiedene Texte in ihrer Vernetztheit zu
untersuchen und dabei zugleich Differenzierungskriterien für die Abgrenzung
verschiedener Textsorten zu erarbeiten (insbesondere Zeitungsartikel, Brief,
Offener Brief, Leserbrief). Als Hauptmaterial hat sie zu diesem Zweck 59 Texte
zugrunde gelegt, die sich mit der Verleihung des Konrad-Adenauer-Preises an den
umstrittenen Historiker E. Nolte und der zu diesem Anlass gehaltenen Laudatio
von H. Möller befassen. Eine Differenzierung zwischen diesen Texten ist weder
unter Rückgriff auf die (hier appellative) Funktion noch auf das Thema bzw. die
thematische Entfaltung möglich. Eine Abgrenzung wird möglich, wenn folgende
Aspekte differenziert berücksichtigt werden: Status des Schreibers (der
Unterschiede im Formulativ-Stilistischen nach sich zieht), Sichtbarwerden des
Schreibers (durch ich usw.) und Herstellung des Kontakts zum Rezipienten. Dabei
ist einerseits die direkte Ansprache möglich - du, aber auch andere Mittel, die
Robert unter dem Sammelbegriff vokativer Modus zusammenfasst - anderseits aber
auch eine indirekte Form, bei der der eigentlich gemeinte Adressat wie ein außerhalb
der Kommunikation stehendes Wesen behandelt wird - Robert spricht hier vom
nicht-personalen Modus. Zusätzlich werden diverse Zwischen- und Spielformen
(u.a. die Fingierung) besprochen und auf ihre kommunikative Funktion hin
untersucht. - Der Anhang enthält 16 Textbeispiele.
Mikaela
Petkova-Kessanlis: Antrittsvorlesungen - ein Fall für sich?
Auf der Grundlage eines Textkorpus von 14 (überwiegend im Internet zugänglichen)
Antrittsvorlesungen und einer Fragebogenerhebung geht Petkova-Kessanlis den
Spezifika dieser bislang nicht näher untersuchten Textsorte nach. Sie hebt vor
allem ihren ,Schnittstellen-Charakter' hervor, der mit zahlreichen Beispielen
verdeutlicht wird: Antrittsvorlesungen sind nicht nur bereits in der Primärsituation
(des einmaligen Vortrags) mehrfachadressiert, sondern erreichen bei ihrer Veröffentlichung
nochmals ein ganz anderes Publikum. Sie oszillieren zwischen Mündlichkeit und
Schriftlichkeit, Fachsprachlichkeit und Allgemeinsprachlichkeit und sollen
sowohl dem Gebot wissenschaftlicher ,Objektivität'/Unpersönlichkeit gerecht
werden, als auch die Möglichkeit bieten, den Vortragenden als Individuum
kennenzulernen. Angesichts dessen (und auch wegen der großen Varianz zwischen
den Textexemplaren) problematisiert die Autorin den Versuch einer genaueren
typologischen Zuordnung dieses ,Sonderfalls', aber auch die mögliche
Konsequenz, vorliegende Klassifikationsansätze gänzlich aufzuweichen.
Jakob Wüest: Teiltextsorten und Sprechakthierarchie in
Gerichtsurteilen.
Wüest untersucht die Tempus- und Modusverteilung, die vielfach als für die
Differenzierung von Textsorten geeignete Kriterien behandelt werden, kommt
allerdings zu dem Schluss, dass rein quantitative Untersuchungen selbst dann
enttäuschend bleiben, wenn dabei zwischen Teiltexten differenziert wird. Dies
wird anhand von deutsch- und französischsprachigen schweizerischen Urteilen der
Berufungsinstanz Kassationsgericht (mit der Makrostruktur ,Feststellungen' und
,Erwägungen') gezeigt. Um zu einem differenzierten qualitativen Vorgehen zu
gelangen, erprobt er eine Analyse, die die illokutiven Rollen der einzelnen
Sprechakte bestimmt, kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die dominierenden
Sprechakte bei den Gerichtsurteilen zweideutig sind, insofern die Texte sich an
unterschiedliche Adressaten wenden (deklarativ gegenüber den direkt Beteiligten
und assertativ gegenüber einem erweiterten Publikum). Bei den (teilweise
fakultativen) untergeordneten Sprechakten (v.a. sachverhaltsklärende und
argumentative) ist die Varianz noch größer, so dass der Versuch einer
generellen Charakterisierung der Illokutionsstruktur von Gerichtsurteilen nur
sehr oberflächliche Feststellungen erlaubt und für eine differenzierte
Beschreibung der verwendeten Ausdrucksmittel nicht ausreicht.
Wolf-Dieter Krause: Text und Textsorte in
der fremdsprachigen Kommunikation. Der Aufsatz behandelt Gemeinsamkeiten und Unterschiede von in der Mutter-
bzw. einer Fremdsprache erzeugten Texten und differenziert zunächst
unterschiedliche Konstellationen fremdsprachiger Kommunikation (Fremdsprachler
mit Muttersprachler, Lingua Franca, Tandem-Situation, Unterrichtssituation). Die
Gemeinsamkeiten sieht Krause v.a. auf der soziolinguistischen Ebene, da es
allemal um das Bewältigen kommunikativer Anforderungen in einer bestimmten
Kommunikationssituation geht. Unterschiede betreffen demgegenüber insbesondere
die psycholinguistische Ebene, da bei der Kommunikation in der Fremdsprache eine
Disproportionalität zwischen Bewusstseinsinhalten und dem Verfügen über
Ausdrucksmittel besteht. Die sich daraus ergebenden Abweichungen werden
systematisiert (Abweichungen von Sprachsystemnormen, stilistischen und
sprachlichkommunikativen Normen) und an zwei Beispieltexten exemplifiziert.
Kirsten Adamzik: Interaktionsrollen. Die Textwelt
und ihre Akteure. In dem Aufsatz geht es um eine
Differenzierung der Konzepte Sprecher/Schreiber/ Textproduzent bzw.
Hörer/Leser/Textrezipient, die als für die von Warnke geforderte „Erweiterung
bisheriger Forschungsfelder der Textlinguistik" bedeutsam angesehen wird, was
auch in den übrigen Beiträgen in mehr oder weniger eindringlicher Weise zum
Ausdruck kommt. Es werden zunächst theoretische Konzepte für eine solche
Differenzierung vorgestellt, insbesondere aus dem Bereich der
Konversationsanalyse (E. Goffman u.a. mit Kategorien wie Adressat, Mithörer,
Lauscher bzw. animator, author, principal) und des Polyphoniekonzepts (O. Ducrot
u.a. mit Kategorien wie sujet parlant, locuteur-L, locuteur-?, enonciateur).
Anschließend wird ausgehend von den in den Beiträgen dieses Bandes verwendeten
Bezeichnungen für die Interaktanten eine Systematisierung unterschiedlicher
Aspekte versucht, unter denen man sich auf die Beteiligten beziehen kann.
Unterschieden werden: Interaktanten als Akteure der illokutionären Rolle, als
Funktionsträger, Diskursakteure, Individuen, Mitglieder der
Sprach-/Kommunikationsgemeinschaft und als Kommunikanten, d.h. konkret an einer
Interaktion Beteiligte. Als Spezifikum der Kommunikation im öffentlichen Raum
wird die Diskrepanz zwischen intendierten Adressaten und tatsächlichen
Rezipienten, angestrebten und von Rezipienten/Mediatoren rekonstruierten
Interpretationen auf inhaltlicher und funktionaler Ebene sowie partielle und
oberflächliche Rezeption hervorgehoben, die eine Übertragung von Verfahren aus
der Analyse von Direktkommunikation auf öffentliche Kommunikation als
unangemessen erweisen.
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