Welche Rolle spielt Literatur im Prozess der durch Globalisierung und
Migration eintretenden kulturellen Veränderungen? Sollte sie nicht in diesen
gesellschaftlichen und kulturellen Übergangsprozessen einen prominenteren Platz
einnehmen als bisher?
POETIK DER MIGRATION verortet die transnationale
Migrationsliteratur, die innerhalb nationaler Literaturen keinen Platz findet,
sondern an deren Rändern, in Kontakt- und Überlappungszonen agiert, neu. Diese
neue Verortung geschieht einerseits in Abgrenzung zur traditionellen
Emigrationsliteratur, die noch weitgehend einem nostalgischen Opferdiskurs
verhaftet ist, andererseits zur sogenannten Migranten-, Gastarbeiter- oder
Ausländerliteratur, die entweder unter dem Schlagwort der Betroffenheit oder der
Kulturenvermittlung rezipiert wird, der aber Elemente der transkulturellen
Hybridisierung fehlen.
An Beispielen aus der Prosa und Essayistik
zeitgenössischer Autorinnen und Autoren russischer Herkunft, die in einer
Migrationssituation leben (Marina Palej, Marija Rybakova, Julia Kissina,
Vladimir Kaminer, Irina Aristarchova, Michail Siskin), wird gezeigt, dass die
transkulturelle Konstellation nicht nur Gegenstand der Texte ist, sondern auch
deren Ästhetik wesentlich prägt. Dabei wird der Zusammenhang von
Erzählstrukturen und Identitätsmustern und deren Durchbrechung bei hybriden
Identitätsvorstellungen zum Ausgangspunkt der POETIK DER MIGRATION. Gegenüber
der bisherigen Literaturforschung, die diese transnationalen Schreibweisen meist
in metaphorischen Konzeptionen fasst, werden sie hier in konkreten literarischen
Formen von Multiperspektivität, Duplizität von Raum und Zeit,
Verfremdungsstrategien wie Mimikry, Ironie und grotesker Parodie oder
ambivalenten rhetorischen Figuren und Mischgattungen aufgesucht. Die POETIK DER
MIGRATION weist damit den Weg zu einer Ästhetik eines immer bedeutsameren Zweigs
zeitgenössischer Literaturen.
Über die Autorin: Eva Hausbacher ist Dozentin für Slawistik (Literatur-und
Kulturwissenschaft) am Fachbereich für Slawistik der Universität Salzburg. Ihre
Dissertation widmete sich der frühfuturistischen russischen Dichtermalerin Elena
Guro auf der methodologischen Basis der feministischen Literaturwissenschaft und
der Gender Studies. Zu ihren neueren Forschungsschwerpunkten zählen Fragen der
Inter- und Transkulturalität, Postcolonial Studies und postsowjetische
Literatur.
Rezension:
"Zumal Eva Hausbacher ihre Filiation aber so versteht, dass sie nicht allein relevante theoretische Diskussionen um Migrationsforschung, Raum, Gendertheorie, Postkolonialismus kritisch erörtert, sondern darüber hinaus auch Ergebnisse von anglistischen, germanistischen und romanistischen Arbeiten zu Migrationsliteratur vergleichend berücksichtigt, ist ihre Studie im besten Sinn transdisziplinär. Für die literatur- und kulturwissenschaftliche Slawistik liegt somit eine „deterritorialisierende“ Arbeit vor, die für Forschung wie für Lehre wichtige Grundlagen zur Analyse sehr aktueller Phänomene liefert."
Peter Deutschmann, in: Anzeiger für Slavische Philologie (XXXVII) 2009.
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